Landwirtschaft im Münsterland – zwischen Tradition und Innovation
vom 12. bis 14. Juni 2025 Warendorf-Freckenhorst
Foto: Landwirtschaftskammer NRW
Bericht zur Jahrestagung 2025
Die diesjährige vlf Bundestagung führte von Donnerstag, 12. Juni bis Samstag, 14. Juni nach NRW ins Münsterland. Nachdem die etwa 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Katholischen Landvolkhochschule „Schorlemer Alst“ in Freckenhorst Quartier bezogen und ein Mittagsimbiss eingenommen war, begann am frühen Nachmittag die Fachtagung. Sie stand unter dem Motto „Landwirtschaft im Münsterland – zwischen Tradition und Innovation“.
Brigitte Engemann, Vorsitzende des vlf NRW, und Johann Biener, Präsident des vlf Bundesverbandes, eröffneten die diesjährige Bundestagung Foto: LZ-Rheinland/Legge
Stefan Leuer von der Landwirtschaftskammer NRW gab zunächst einen Überblick über die aktuelle Situation der landwirtschaftlichen Betriebe in NRW. Zwischen 2010 und 2020 hat sich die Anzahl der Haupterwerbsbetriebe um 27,6 % verringert, denn oft reichten die erzielten Gewinne für eine Eigenkapitalbildung nicht aus. Damit fehlte die Grundlage für notwendige Investitionen. Hinzu kam die rückläufige Entwicklung des Fleischverzehrs, besonders drastisch hinsichtlich des Konsums von Schweinefleisch. Diese Situation mache es erforderlich, über neue Wege in der Landwirtschaft nachzudenken. Dabei sei es notwendig, den Verbraucher zu beobachten und neue Geschäftsfelder zu entwickeln. Der Schritt vom reinen Rohstofflieferanten hin zum Dienstleister werde zunehmend wichtiger.
Sonja Schürmann, DZ BANK AG Münster, begleitet landwirtschaftliche Unternehmen bei größeren Investitionen zusammen mit den regionalen Volks- und Raiffeisenbanken. Sie stellte die Prognose in den Raum: „Bis 2040 dürfte die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe von derzeit 267.000 auf nur noch rund 100.000 sinken. Gleichzeitig wird die durchschnittliche Betriebsgröße spürbar zulegen. Nicht zuletzt der Altersstrukturwandel und fehlende Nachfolger verstärken diese Entwicklung. Langfristig droht die Abkehr vom Jahrhunderte alten Modell des bäuerlichen Familienbetriebs, den selbstständige Bauern, kleine Betriebseinheiten und mithelfende Familienangehörige kennzeichnen. Die Führung eines Agrarbetriebs gleicht sich immer mehr der eines Industrieunternehmens an.“ Investitionsüberlegungen bezüglich der Umstellung auf ein höheres Tierwohlniveau, Landkäufe, die Umstellung auf Hähnchenmast oder Legehennen, Bioenergie oder ein Ausbau des Gemüseanbaus seien aktuelle Investitionsabsichten. Bei ganz neuartigen Ideen, wie z. B. der Insekten- oder Madenmast, seien die Banken sehr vorsichtig bei der Kreditvergabe. Zudem müssten Banken bei jeder Finanzierung die Nachhaltigkeit der Investition prüfen.
Nach der Kaffeepause stellte Frau Dr. Dorothee Schulze Schwering das Innovationsmanagement der Landwirtschaftskammer NRW vor. Ihre im Herbst 2022 neu geschaffene Stelle beinhaltet insbesondere folgende Aufgabenfelder: aktuelle Trends und Entwicklungen im Agrarbereich im Blick behalten, Netzwerke mit den verschiedenen Fachbereichen der Landwirtschaftskammer, mit Startups, Unternehmen, Forschungseinrichtungen etc. knüpfen und pflegen, Informationsmaterial erstellen, Workshops, Seminare und Exkursionen und demnächst auch Podcasts anbieten sowie schließlich landwirtschaftliche Unternehmen bei der Umsetzung innovativer Betriebszweige beratend unterstützen. Anschließend zeigte sie an Beispielen einige Innovationsfelder auf. Die Digitalisierung tangiert viele Betriebsbereiche, Smart Stores in der Direktvermarktung sind nur ein möglicher Bereich. Der Erschließung neuer Verarbeitungs- und Vermarktungswege landwirtschaftlicher Roh- und Nebenprodukte kommt eine zunehmende Bedeutung zu. Der Anbau von Nischenkulturen oder Aquakulturen sind weitere Innovationsbereiche. Zur Insektenhaltung gibt es aktuell viele Anfragen, die Umsetzung ist bisher aber in keinem Betrieb erfolgt.
Melanie Schlüters, Beraterin der Landwirtschaftskammer für Ökonomie und Dienstleistungen beendete den Nachmittag mit einem Vortrag zur Umnutzung landwirtschaftlicher Gebäude zu Seniorenwohnungen. Der Bedarf an Seniorenwohnungen ohne und mit Service bis hin zum ambulant betreuten Wohnen oder sogar stationären Einrichtungen werde in unserer alternden Gesellschaft immer größer. Allerdings seien die Hürden für eine Umnutzung auch sehr hoch, gab die Referentin zu bedenken. Sie zeigte einige gelungene Beispiele auf, machte aber deutlich, dass baurechtliche und technische Hürden keine pauschalen Aussagen zuließen und jeweils Einzelprüfungen erforderlich seien. Die Landwirtschaftskammer biete Beratung in all diesen Fragen an.
Stefan Leuer, Dr. Dorothee Schulze Schwering, Melanie Schlüters (alle LWK NRW) sowie Sonja Schürmann (DZ BANK Münster) gestalteten einen interessanten Nachmittag.
Foto: LZ-Rheinland/Legge
Der erste Tag klang mit dem Landesabend in der Landvolkshochschule aus. Nach einem Grußwort des Präsidenten der Landwirtschaftskammer, Karl Werring, konnten zunächst beim Grillbüfett und kühlen Getränken bestehende Kontakte unter den Teilnehmenden aufgefrischt und neue geknüpft werden. Als Überraschungsgast trat später die Künstlerin Marta Latour auf. Mit einer halben Stelle bekleidet sie gleichzeitig das Amt der Türmerin von St. Lamberti in Münster, was den gewünschten Lokalkolorit in die Veranstaltung brachte. In ihrem Unterhaltungsprogramm gab sie Lieder und geschichtliche Hintergründe zum Thema Münster und Brauchtumsbewahrung zum Besten.
Am nächsten Morgen startete die Exkursion zu vier landwirtschaftlichen Betrieben. Dabei konnten die Teilnehmenden die Umsetzung einiger innovativer Ideen selbst erleben, die am Vortag in den Vorträgen schon angeklungen waren. Das Betriebsleiterehepaar Niehues in Sendenhorst hat sich nach gründlicher Vorbereitung 2023 entschieden, neben der Schweinemast als neues Standbein die Aquakultur von Wolfsbarsch aufzubauen. Die Vermarktung erfolgt überwiegend an die Gastronomie aber auch direkt vom Hof. Die „Geflossenschaft e.G.“ wurde im Dezember 2024 von bestehenden Aquakultur-Betreibern aus der Landwirtschaft, einem erfahrenen Fischvertriebler sowie dem Anlagenbauer gegründet. Ziel der Genossenschaft ist es, für alle BetreiberInnen von kompakten Salzwasser-Aquakulturen eine zentrale Marketing- und Vertriebseinheit zu bieten.
Fotos: vlf NRW
Danach wurde der Betrieb der Familie Voss in Rinkerode angesteuert. Unter der Marke „Eickenbecks Hofgenuss“ werden seit einigen Jahren Süßlupine angebaut und daraus hergestellte Produkte vermarktet. Kooperationen mit dem food lab Münster (Innovationszentrum für Lebensmittel und nachhaltige Ernährung an der Fachhochschule Münster) und einer großen Metzgerei in Münster führten zu einer schnellen Ausweitung der Produktpalette. Der Lupinenkaffee, der zu Beginn gereicht wurde, mundete den meisten Exkursionsteilnehmern. Das Mittagessen bestehend aus Lupinengrillern mit Currysoße und Pommes frites traf auch überwiegend auf ein positives Echo. Nun kann man zumindest mitreden, wenn es um Lupinenprodukte geht.
Fotos: vlf NRW
Gestärkt ging es weiter zum Betrieb der Familie Selhorst in Herbern. Hier interessierte vor allem die Produktion und Vermarktung von Popcornmais. Die Vermarktung erfolgt überwiegend an Kinos in der Region aber auch online. Für besondere Aktionen oder Feste können die Popcornmaschinen ausgeliehen werden. Bei den angebotenen Kostproben des frisch zubereiteten Popcorns konnten nur die wenigsten widerstehen.
Fotos: vlf NRW
Abschließend wurde der landwirtschaftliche Betrieb der Familie Schulze Rötering in Ahlen angesteuert. Neben der Landwirtschaft in großem Ausmaß wird ein Lohnunternehmen betrieben. In der hofeigenen Brennerei werden Edelschnäpse und Liköre produziert, ein Landgasthaus, ein Hofladen, eine Eventscheune u. v. m. sind weitere Standbeine des Betriebes. Nach einem Rundgang über das Hofgelände gab es zum Ausklang der Exkursionen im Landgasthaus Kaffee und feinen Kuchen. Der ein oder andere erledigte noch einige Besorgungen im Hofladen, bevor der Bus zurück nach Freckenhorst fuhr.
Fotos: vlf NRW
Nach einer kurzen Erholungspause ging es dann schon wieder mit dem Bus nach Münster. Auf Gut Havichhorst fand der diesjährige Festabend statt. Wetter und Ambiente trugen zu einer gelungenen Veranstaltung bei. Die Präsidenten des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes, Hubertus Beringmeier, des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes, Erich Gussen, sowie der Direktor der Landwirtschaftskammer NRW, Dr. Arne Dahlhoff, überbrachten Grußworte. Die beiden vlf’ler aus dem Kreisverband Höxter, Christoph Johlen (Keyboard) und Eva Waldeyer (Gesang), begeisterten mit ihren musikalischen Einlagen. Die Verleihung der Theodor-Hensen-Medaille wurde vom Präsidenten des vlf Bundesverbandes, Johann Biener, und der Vizepräsidentin, Brigitte Engemann, vorgenommen. Diesjähriger Preisträger ist Martin Lambers, langjähriger Bildungsreferent beim Deutschen Bauernverband und beim Verband der Landwirtschaftskammern. Er wurde für seine Verdienste bei der Neuordnung und konzeptionellen Weiterentwicklung der agrarischen Aus- und Fortbildung in Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen, Bildungspartnern und Praktikern ausgezeichnet.
Hubertus Beringmeier Foto: vlf NRW
Erich Gussen Foto: vlf NRW
Dr. Arne Dahlhoff Foto: vlf NRW
Hubertus Beringmeier, Erich Gussen und Dr. Arne Dahlhoff sprachen Grußworte.
Eva Waldeyer und Christoph Johlen begeisterten durch ihre musikalischen Einlagen. Foto: vlf NRW
Martin Lambers wurde für seine Verdienste um die agrarische Berufsbildung mit der Theodor-Hensen-Medaille ausgezeichnet. Foto: vlf NRW
Am Samstagvormittag endete die Tagung mit der Mitgliederversammlung des vlf Bundesverbandes.
Mit vielen neuen Eindrücken und ggf. auch neuen Kontakten traten die vlf’ler anschließend die Heimreise an.
>>> Tagungsprogramm als PDF-Dokument lesen